Moving Interventions: Tanz – Protest und widerständige Körper
Richten wir unseren Blick darauf, wo uns Tanz und Protest begegnen und was für eine Rolle welche Körper dabei übernehmen. In welchem Bezug stehen diese Themenfelder in der Beschäftigung mit Tanz und Rassismus? Was kann Tanzaktivismus und wo lässt sich Aktivismus im Tanz oder durch Tanz finden? Wie zeigt sich Aktivismus und Widerstand im Körper? Wie fühlt es sich an, als Körper Teil einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu sein?
Soziale Bewegungen haben eine Vielzahl von unterschiedlichen Protestformen. Oft spielen Symbole und Transparente eine große Rolle, begleitend kommen verschiedene Formen hinzu, durch die Menschen ihre Forderungen an die Politik richten. Die gängige Form der Demonstrationen und Demonstrationszüge beinhalten per se die Fokussierung auf die Körper. Mit dem eigenen Körper in den öffentlichen Raum zu treten, spielt also eine große Rolle. Was bedeutet das in Bezug auf Tanz? Performative Protestformen wie Flashmobs oder das bewusste Einsetzen von Körpern im Raum, beispielsweise durch Menschenketten, das Positionieren und Anordnen im Raum können im übertragenen Sinne immer auch als tänzerische Praxis durch körperliche Präsenz gesehen werden. Die Theater- und Tanzwissenschaftlerin Susanne Foellmer formuliert in einem Interview mit Nadine Berghausen von 2018 beispielsweise, dass das „[…] Stehen auch schon Tanz sein kann[…]“1. Zu bewegungsintensiveren Formen wie dem Flashmob, bei dem die Choreographie als eine Art Drehbuch fungiert, erwähnt sie, wie durch vorausgegangenes Erlernen der Tanzschritte erst in einem nächsten Schritt „[…] der Protest dann mit dem eigenen Körper auf die Straße getragen [wird], einem Körper, der sich der gesellschaftlichen Problematik aussetzt.“2 Aber auch die virtuelle Präsenz – gerade im Jahr 2020 – manifestiert Forderungen durch Körper und virtuelle Reproduktion. Was sehen wir (im Netz) an Tanz und Tanzaktivismus und welche Körper begegnen uns auf welche Art und Weise im Diskurs um Protest und Tanz? Welchen Blick haben wir dabei auf Körper und wie können Perspektiven um postkoloniale Ansätze erweitert werden? Mit einigen Beispielen wird der Blick auf einen Ausschnitt medialer Sichtbarkeit von Tanz im Protest und Protest im Tanz gerichtet.
Die Plattform OneBillionRising nutzt Tanz als Protestmedium, um jährlich am 14. Februar mit großen Flashmobs gegen die Gewalt an Mädchen und Frauen zu protestieren. Besondere mediale Aufmerksamkeit hatte auch der Protestsong “Un violador en tu camino” der Frauengruppe Lastesis aus Chile. Die Kurzchoreographie in Kombination mit dem Sprechgesang wurde weltweit aufgenommen und rezipiert und ist somit Teil einer gemeinsamen Bewegung von Frauen geworden.3 Im Rahmen der Black Lives Matter Proteste, begonnen durch den Tod von George Floyd,kam es unter Anderem zu einem Event mit dem Namen Dance for George. Die Veranstaltung fokussierte sich zum Einen auf die Erinnerung an George Floyd, und rückte zudem den Blick auf schwarze Künstler*innen aus der Tanz- und Unterhaltungsbranche. Siobhan Burke schrieb dazu einen in der New York Times veröffentlichten Artikel, in dem sie einzelne Videos von dem Event und die damit verbundenen Tanzgruppen, Tänzer*innen und Tanzpraktiken präsentierte. Die Tänzerin und Tanzkritikerin lebt in New York und schreibt über Tanz und andere Live-Performances.4 Den Beitrag vom 09. Juni 2020 leitet sie folgendermaßen ein und weißt auf Verknüpfungen von Tanz und Protest hin:
„At the center of many of these videos are dancers expressing pain and joy — affirming that they are alive. Some came to the streets with the purpose of dancing. Others were moved to dance more spontaneously, and surprised to find themselves seen by millions online. “5
Die Tänzerin Joana Tischkau spricht in einem Podcast mit Massimo Maio über Tanz als Element des kollektiven Gedächtnisses der Schwarzen Community und betont was die Körperlichkeit im Protest, gerade für schwarze Körper in Amerika bedeutet.6 Die Französin Chloé Lopes Gomes, die noch bis einschließlich Sommer 2021 Ensemblemitglied des Berliner Staatsballetts ist, teilt im SPIEGEL ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus im Arbeitsalltag als Schwarze Tänzerin in Deutschland.7 Die Beiträge und Behandlung dieser Themen sind nur wenige Beispiele und verdeutlichen doch die Verschränkung und den Bedarf an der Beschäftigung mit Themen um Tanz und Protest, Körper und Rassismus.
1 Nadine, Berghausen (Juli 2018): Choreografie als Protestform; aufgerufen auf: https://www.goethe.de/de/kul/tut/gen/tan/21327381.html (letzter Zugriff: 04.12.2020)
2 Ebd.
3 OneBillionRising (2020); aufgerufen auf: http://www.onebillionrising.de/el-violador-eres-tu-der-vergewaltiger-bist-du/ (letzter Zugriff: 24.11.2020)
4 Siobhan Burke (2020): About ; aufgerufen auf: https://www.sioburke.com/about (letzter Zugriff: 13.12.2020)
5 Siobhan Burke (09.06.2020):Dancing Bodies That Proclaim – Black Lives Matter; aufgerufen auf: https://www.nytimes.com/2020/06/09/arts/dance/dancing-protests-george-floyd.html (letzter Zugriff: 03.12.2020)
6 Joana Tischkau im Gespräch mit Massimo Maio (12.06.2020): Black Lives Matter-Protest – Tanzen aus dem kollektiven Bewusstsein; aufgerufen auf: https://www.deutschlandfunkkultur.de/black-lives-matter-protest-tanzen-aus-dem-kollektiven.2156.de.html?dram:article_id=478544 (letzter Zugriff: 03.12.2020)
7 Elisa von Hof (20.11.2020): Für Schwanensee war sie nicht weiß genug; aufgerufen auf: https://www.spiegel.de/kultur/ballerina-wirft-berliner-staatsballett-diskriminierung-vor-fuer-schwanensee-war-sie-nicht-weiss-genug-a-00000000-0002-0001-0000-000174103668 (letzter Zugriff : 03.12.2020)
Ariadne Jakoby ist diplomierte Tanzpädagogin und erfolgreiche Absolventin des Bachelorstudiengangs Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie. Tanz begleitet sie ihr Leben lang als Hobby und mittlerweile auch im beruflichen Bereich. Für eine umfassendere Auseinandersetzung verfolgt sie eine gedankliche Reflexion über Tanz in gesamtgesellschaftlichen Kontexten, das wiederum ihr Wirken im Tanz beeinflusst.
Foto: Twana Nedamaldeen