Editorial

Liebe Lesende!


Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe unseres neuen eZine “Moving Interventions”.

Wir sind stolz und glücklich, zum Ende des arbeitsreichen Jahres 2021 unter dem Titel Ambiguous Potentials // Performative Awakenings sieben Beiträge von Choreograf:innen und Tänzer:innen zu Themen teilen zu dürfen, die unsere Arbeit bei CHAKKARs seit nunmehr drei Jahren beschäftigen.

Wir sind daran interessiert, wie Künstler:innen ihre Arbeit sehen, wie vor allem Tänzer:innen über ihre Körper und Körpersprachen reflektieren, wie sehr sie in ihren Performances ergründen und nachspüren, wo ihre jeweils eigenen Ausdrucksfähigkeiten ihren Anfang genommen haben. Inwiefern wurden und sind ihre Ausdrucksmöglichkeiten durch diskriminierende, rassifizierende, sexistische und transfeindliche Gegebenheiten im Tanz eingeschränkt? Wie situieren sich diese im kulturellen Apparat und im Klima von Kunsträumen in Deutschland, die eben nicht alle dazu einladen, die eigenen Potentiale frei zu legen? Diese Prozesse künstlerischen Wachstums und individueller bewusster Geschichtsschreibung sind langwierig, verlaufen oftmals mit Rückschlägen, und sind vor allem eines: schmerzhaft.

Wie es zum eZine kam

Im Jahr des ersten, globalen Lockdowns 2020 waren auch wir herausgefordert, Planungen umzustellen und an den Umstand anzupassen, dass es keine „live” Veranstaltungen geben konnte – und damit keinen persönlichen Austausch und keine analogen Imaginationsräume. So haben wir virtuelle Räume eröffnet, um weiterhin in Kontakt zu bleiben mit den Menschen, die unsere Arbeit bereichern und inspirieren.

Daraus ergab sich – fast organisch –, dass wir Tänzer:innen, Choreograf:innen und Künstler:innen in unserem Umfeld nach ihrer (Lebens-)Situation während der ersten Phase der Pandemie befragt haben. Im gleichen Jahr kam zu den eingeschränkten Radien der (künstlerischen) Bewegungsfreiheit noch ein ganz anderes Ereignis hinzu, als sich nach dem Mord an George Floyd in Minneapolis am 26. Mai 2020 weltweit Black Lives Matter-Demonstrationen organisierten. Damit wurden die Straßen – der öffentliche Raum – zum Ort lautstarker und selbstbewusster Positionierung, um die längst überfällige Bewusstwerdung von institutionellem und strukturellem Rassismus zu thematisieren.

Wir von CHAKKARs wollten wissen, wie unsere Freund:innen und künstlerisch Assoziierten in diesen Umständen über Körper, Protest, Widerstand und Heilung denken. 2020 entstand daraus zunächst ein Virtual Think Tank (www.think-tank.chakkars.de), mit Beiträgen von Ariadne Jakoby, Olivia Hyunsin Kim, Angela Guerreiro, Mario Lopes, Mzamo Nondlwana und Srabanti Bhattacharjee.

Im Team von CHAKKARs gaben uns die reichhaltigen Gedanken, die im Virtual Think Tank artikuliert wurden, Anlass dazu, weiter zu denken, und so entstand die Idee, des eZines “Moving Interventions” - das Ergebnis liegt nun vor!

Ambiguous Potentials // Performative Awakenings

 

Mit dieser ersten Ausgabe von “Moving Interventions” fragen wir nach Ambiguous Potentials und Performative Awakenings.

Der Aufführungsraum, sei es eine Bühne, ein öffentlicher Raum, eine digitale Plattform oder dergleichen, ist immer ein Raum der Ambiguität. Er kann den darstellenden Körper verwundbar machen, indem er ihn den diskriminierenden Blicken des Publikums aussetzt. Aber er kann auch eine Plattform für Empowerment werden, der die Möglichkeit des Teilens von Erfahrungen, der gegenseitigen Heilung, des Dialogs und des Austauschs eröffnet.

Ausgehend von diesem Punkt luden wir Tänzer:innen und Choreograf:innen ein, Ideen, Ansätze, Fragen, Gedanken, künstlerischen Experimente – auch multimedial – zu artikulieren, die diese Mehrdeutigkeiten ansprechen, beispielsweise über die folgenden Fragen:

– Erinnerst du dich an einen Moment des politischen Erwachens in Bezug auf den Tanz?

– Gibt es eine Rassismus-Erfahrung, die auch selbstermächtigende Aspekte hatte?

– Wie äußert sich Rassismus im Tanz?

– Wie bewegt sich der tanzende Körper zwischen dem Blick des Publikums und der Artikulation einer sich emanzipierenden Position?

– Welche Möglichkeiten gibt es, die Bühne für Dekolonisations- und Empowerment-Interventionen zu nutzen?


Wir sind dankbar, dass sieben Künstler:innen unserer Einladung gefolgt sind, und an dieser Stelle öffentlich beschreiben, wie sie Momente ihres Erwachens und Wachsens erlebt haben. Wie sie sich eigene Frei-Räume eröffnet haben, wie überwältigend das Gefühl – die unterschiedlichen Gefühle – für sie sind, wenn (endlich) Gleichgesinnte gefunden werden, wenn das eigene künstlerische Potential weniger Anlass zu Scham, Einschüchterung und emotionaler Abwehr bietet, sondern ganz im Gegenteil zur Blüte kommt und erwacht und wächst und geteilt werden kann.

Wir danken Nora Amin, Keith Zenga King, Sarah Lasaki, Hannah Ma, Rani Nair, Amanda Piña und Suzette Sagisi von ganzem Herzen für ihre Beiträge. Sie bereichern sich durch wiederkehrende Themen gegenseitig – beispielsweise in der Beschreibung der Beziehung zwischen dem (weissen) Publikum und Performer:innen of color, oder im Diskurs um Augenhöhe und dekolonisierende Performance- und Kurationsstrategien, aber auch in Bezug auf Fragen zu internalisierten Rassismen, die normative, ausschließende Gewalt in (Infra-)Strukturen des Balletts und Möglichkeiten der Heilung.

Wir freuen uns, wenn es auch von euch Leser:innen, Zuhörer:innen und Zuseher:innen Feedback gibt, und wir erfahren können, welche Gedanken sich euch eröffnet haben, wenn ihr Amanda, Sarah, Keith, Hannah, Suzette, Rani und Nora folgt (gerne per Email an: chakkars.moving.interventions@gmail.com). 

Und natürlich wäre es wunderbar, wenn ihr euch eingeladen und stimuliert fühlt, die Suche nach den eigenen Potentialen auf zu nehmen oder weiter zu führen, die eigenen künstlerischen Körpersprachen weiter sprechen zu lernen und selbstbewusst und selbstwirksam auf Bühnen zu zeigen! Wir wollen stärken, befähigen und künstlerisch/sozial/politische Teilhabe ermöglichen – stärken und befähigen wir uns also gegenseitig und miteinander!

Danke an Nora Amin, Keith Zenga King, Sarah Lasaki, Hannah Ma, Rani Nair, Amanda Piña, Suzette Sagisi, Manoj Kurian, Anja Tracksdorf (Tracksdorf Übersetzungen) und Veronika Wagner für die Realisierung dieser ersten, sehr powervollen Ausgabe von “Moving Interventions”.

Wir wünschen eine inspirierende Lektüre!

Herzlichst,

Sandra Chatterjee, Sarah Bergh & Ariadne Jakoby

CHAKKARs – moving interventions

Dezember 2021

Impressum

Moving Interventions – eZine

Edited by / Herausgegeben von: Sarah Bergh and Sandra Chatterjee, with Ariadne Jacoby (CHAKKARs – Moving Interventions)

Translated by: Anja Tracksdorf (English to German), Sandra Chatterjee (German to English) Copyedited by: Veronika Wagner.

Art Direction: Manoj Kurian Kallupurackal

Published by / Veröffentlicht von CHAKKARs – Moving Interventions.

  1. Ausgabe: Dezember 2021 // 1st Issue: December 2021

AUSGABE 1/ISSUE 1: Ambiguous Potentials // Performative Awakenings

Copyright

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Unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ – STEPPING OUT, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen der Initiative NEUSTART KULTUR. Hilfsprogramm Tanz. Gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München.

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