The idea behind the Think Tank
Im Frühjahr 2020 wurden auch wir vor die Frage gestellt, wie unsere Arbeit und unsere Aktivitäten während des (ersten) Lockdowns weitergehen könnten? Welche Perspektiven würden sich für die Realisierung der geplanten Veranstaltungen ergeben?
Als öffentlich (durch das Kulturreferat der LH München) gefördertes Projekt mussten Zeitpläne eingehalten und Vereinbarungen erfüllt werden… Gleichzeitig wurde nach und nach klar, dass auch – und gerade der Kultur- und Kunstbetrieb zum Erliegen kam. Reisen, Treffen, Probenarbeit, Auftritte und Liveperformances … – alles unmöglich, und das zeitlich unabsehbar!
Gleichzeitig wurde der globale Shutdown zur Nagelprobe für Gesellschaft(en), die sich im Selbstverständnis der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit ihrer Mitmenschen wähnen. Das Gegenteil ist der Fall, das ist keine neue Erkenntnis, doch nun wurde klar – wenn z.B. globale Lieferketten, Ansprüche an Mobilität und gesundheitliche Versorgung und künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt werden, betrifft das endgültig Alle! Zeit, sich Wahrheiten zu stellen und sich persönlich, gesellschaftlich und strukturell zu fragen: Wer lebt auf wessen Kosten und was ist der Wert der Freiheit?
Im Frühsommer wurde die Pandemie dann von weltweiten Protesten als Reaktion der öffentlichen Tötung von George Floyd durch einen Polizisten in den USA überlagert. Die Stimmung kippte einmal mehr, und wieder gab es eine Art globale Erfahrung – die Vergegenwärtigung von tief verankertem Rassismus.
Es ist keine Frage, der Vorfall in Minnesota ist nur ein weiterer auf der (Jahrhunderte alten) langen Liste der Auslöschung Schwarzen Lebens. Zudem finden Proteste, Demonstrationen und Aufbegehren gegen Unrechtssysteme natürlich Tag für Tag für Tag an nahezu jedem Ort der Welt statt – mal hörbarer, mal sehr viel leiser und unsichtbarer, aber immer: präsent. Und ja, auch wirkmächtig, wenn wir bspw. künstlerisches Wirken in seiner „Infusionskraft“ spüren.
Mit unserer Arbeit eröffnen wir Resonanz- und Imaginationsräume und verhandeln Perspektiven, die durch Tanz, Körper und Körperkulturen ausgedrückt und erlebt werden können. Unsere eigenen Erfahrungen sind divers geprägt und verorten sich in Kritik zu Dominanzstrukturen und binärer Systematik, gleichzeitig leben wir in ihnen, und treten daher in Auseinandersetzung, beziehen differenz-kritische Positionen ein und initiieren „moving interventions“.
Als nun „nichts mehr“ ging, beschlossen wir, den Austausch mit Künstler*innen nicht abbrechen zu lassen, und ihren Arbeitsansätzen und Perspektiven Raum zu geben:
Im Virtual Think Tank ist Platz für Gedanken und Ideen.
Im Think Tank werden Ansichten mitgeteilt und Bewegung geteilt.
CHAKKARs wird durch den Think Tank nicht nur virtuell bereichert, sondern auch in seinem grundsätzlichen Verständnis von viel-bestimmten Blickrichtungen gestärkt.
In unserem Virtual Think Tank werden in EDITIONs jeweils mehrere Einzelpersonen zu verschiedenen Themenkomplexen zu/in und durch Tanz befragt. Statements und tänzerisch-performative Umsetzungen nähern sich einem Thema und bilden eine Galerie verschiedener Positionen.
We meet at the crossroads … where intersectuality is challenging our thought habits!
In diesem VIRTUAL THINK TANK befragen wir Tänzer*innen aus unserem näheren CHAKKARs-Umfeld zu ihren Zugängen zu und Erfahrungen mit PROTEST und WIDERSTAND. Der Virtual Think Tank ist ein Format zum Sammeln und Bereitstellen von verschiedenen Perspektiven zu unterschiedlichen Themenfeldern in und durch Tanz. Der Impuls von Protest und Tanz eröffnete für CHAKKARs eine theoretische Auseinandersetzung, die über die Frage nach Protest hinausgeht. So wurden im Gespräch Fragen und Impulse an Künstler*innen gerichtet, auf die sie in schriftlicher, performativer oder audiovisueller Form reagiert haben beantwortet wurden. Diese Bündelung ist als Anreiz zu lesen, sich den Überschneidungen von Tanz und gesellschaftlich relevanten und brisanten Themen anderen Alltagsthemen zu nähern und unterschiedlichen Perspektiven einen Platz zu bieten, Gedanken zu teilen und anzuregen:
Betrachtest du dich als Tänzer*in im Widerstand? Wieso bist du ein*e Aktivist*in in Bewegung? Und wie fühlt es sich an, ein Körper zu sein, der physischer Konfrontation und gesellschaftlichen Kontroversen ausgesetzt ist? Diese führten unter anderem zu Fragen über Tanz und Rassismus bis hin zu Tanz und Heilung.
Would you consider yourself a dancer in resistance? Why are you an activist in motion? And how what is a body in physical confrontation and in controversy?
Die Beiträge von Mario Lopes, Srabanti Bhattacherjee, Angela Guerreiro, Mzamo Nondlwana und Olivia Hyunsin Kim werden im Folgenden präsentiert. Durch ihre vielfältigen und unterschiedlichen Perspektiven, Arbeitsweisen und -formen laden die Künstler*innen uns ein, ihren Blicken auf die Fragen nachzugehen und unser Verständnis von Tanz zu erweitern.